Ein interdisziplinäres HDP-Team aus KI-Experten, System-Developern, Trainern und Fachexperten hat im Rahmen eines Exposés Einsatzgebiete abgesteckt, Verfahren erprobt, Umsetzungen getestet und konsequent die Weiterentwicklung von Cusa zur KI-unterstützten Branchenlösung vorangetrieben.
„Den Anwendungsfall "Zielprognose bestimmen" haben wir in den vorherigen Beiträgen bereits angesprochen. Nun wird uns immer klarer, dass wir genau diesen Usecase im Rahmen des Exposés umsetzen werden. Höchste Zeit also, euch unser "bestes Pferd" im Detail vorzustellen.
Worum geht es bei der Zielprognose? Wird ein Unfall als Schwerfall eingestuft, so muss ein Sachbearbeiter abschätzen, mit welcher Ausfallzeit zu rechnen ist. Die Anzahl der prognostizierten Tage bzw. Wochen wird Zielprognose genannt. Ein im Bereich Unfallversicherung etabliertes Hilfsmittel hierfür ist die sogenannte Weller-Datenbank bzw. Weller-Tabelle, entwickelt von Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Siegfried Weller*, die Zielprognosen auf Basis gesammelter Unfalldaten bereitstellt. Schon heute ist es in Cusa Reha & Leistung möglich, die Zielprognose auf Basis der Weller-Tabelle automatisiert ermitteln zu lassen.
Selbstverständlich hat der Sachbearbeiter aber auch die Möglichkeit, die Zielprognose manuell festzulegen, wovon anscheinend oft Gebrauch gemacht wird. Ein Grund hierfür ist, dass die aktuelle automatische Bestimmung der Zielprognose in Cusa Reha & Leistung nicht für jede Unfall-Konstellation möglich ist. Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass bekannte Vorschäden des Patienten oder Komplikationen von der bisherigen automatischen Bestimmung in Cusa Reha & Leistung nicht bzw. nur in Einzelfällen berücksichtigt werden.
Die Entscheidung für eine Zielprognose obliegt letztendlich dem Sachbearbeiter. Um hierbei bestmöglich zu unterstützen, wollen wir mit Hilfe von Apollo-UI Vorschläge anbieten: Einen Vorschlag soll die bisherige automatische Abschätzung (Weller-Tabelle) liefern.
Zusätzlich hierzu wollen wir einen zweiten Vorschlag mit Hilfe eines KI-Systems machen, welches auf Machine Learning (ML) basieren soll. Durch ML könnten beim jeweiligen Kunden Erfahrungswerte von bereits abgeschlossenen Fällen genutzt und auch Vorschäden und Komplikationen berücksichtigt werden.
Einen ersten Prototypen dieses KI-Systems wollen wir im Rahmen des Exposés entwickeln. Bezüglich des ML-Modells planen wir dabei ein zweistufiges Vorgehen: Mit Hilfe der bestehenden automatischen Bestimmung der Zielprognose in Cusa Reha & Leistung wollen wir Trainingsdaten erzeugen, mit denen wir ein ML-Modell trainieren können, das die bisherige Abschätzung approximieren soll (Modell 1 in Stufe 1). Da dieses Modell ohne echte Falldaten trainiert wird, könnte es mit einem Produkt ausgeliefert werden. In Stufe 2 könnte es beim Kunden in ein zweites ML-Modell integriert werden, welches mit den Falldaten des jeweiligen Kunden trainiert wird. Eine Herausforderung wird sein, dass obwohl in Stufe 1 (fast) keine Daten zu Vorschäden oder Komplikationen existieren, das Modell Nr. 2 mit diesen umgehen können muss.
Mit der dargestellten zweistufigen Vorgehensweise würde der Kunde ein KI-System erhalten, das auf der etablierten Abschätzung der Zielprognose (auf Grundlage der Weller-Tabelle) basiert und zusätzlich offen für Verbesserungen durch maschinelles Lernen aus den Falldaten des Kunden ist.
Mit der Arbeit an Modell Nr. 1 haben wir bereits begonnen und schon verschiedene Modelltypen evaluiert. Dabei ist uns aufgefallen, dass klassische ML-Verfahren keine guten Prognosen für unsere Fragestellung liefern, wohingegen bereits äußerst simple künstliche neuronale Netze (KNN) deutlich bessere Ergebnisse liefern.“
* Siegfried Weller war ein deutscher Unfallchirurg. Bis zu seiner Emeritierung 1996 war Weller Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen und verfasste zahlreiche Publikationen und Standardlehrbücher in der Unfallchirurgie.
Unter Leitung von Weller entstand die „Weller-Datenbank, Weller-Tabelle“. Diese Tabelle enthält praktisch alle gängigen Verletzungsmuster, gegliedert nach dem so genannten „Weller-Key“. Zu jedem Weller-Key werden prognostische Einschätzungen zum Heilverfahren gegeben (Behandlungsmethoden, Physiotherapie, Heilverlauf, Komplikationsrisiken, Ausfallzeiten usw.).
Die Weller-Datenbank ist in erfolgreichem Einsatz bei gewerblichen Berufsgenossenschaften, landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und mittlerweile auch bei privaten Versicherungsträgern.